Page 18 - Die Oasen des Imans_Leseprobe
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Die Hindernismauer
sprechen, weil die Tränen in ihren Augen ihre Stimme
zum Zittern brachten. Der Onkel Hodscha hatte mich
sehr gern. Das hatte ich an seinen Blicken und an sei-
ner guten Nachricht gemerkt.
„Mein schönes Kind, wenn du vierzig Tage lang
von diesem Wasser trinkst, wirst du am Morgen des
vierzigsten Tages von deinem Bett aufstehen und das
Frühstück für deine Mutter zubereiten.“
Meine Mutter lächelte unter Tränen. Ich sollte vier-
zig Tage Wasser trinken. Egal, ich werde es trinken,
was ist denn leichter als das? Heute habe ich auch eine
Puppe bekommen. Wir kehrten nach Hause zurück,
unsere Hoffnung durch diese frohe Botschaft genährt.
Vierzig Tage. An jedem Morgen gab mir meine Mut-
ter ein Glas von dem Wasser, das uns der Onkel Ho-
dscha gegeben hatte. Mein Vater, der es nie vergaß, rief
jeden Tag von seinem Geschäft aus an, um meine Mut-
ter, die es auch nicht vergaß, daran zu erinnern. In ei-
nem Schluck Wasser versteckte sich die Hoffnung für
ein ganzes Leben.
Die Hoffnung eines Lebens. Die Ärzte hatten mei-
ner Familie gesagt, dass ich höchstens mein zehntes Le-
bensjahr erreichen kann. Meine ältere Schwester, an die
ich mich sehr dunkel entsinnen kann, starb mit sie-
ben Jahren.
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