Page 5 - Die Glaubenslehre des Imam Al-Tahawi_Leseprobe
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                                  Imām al-Ṭaḥāwī

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            Imām Abū Jaʿfar al-Ṭaḥāwī, der Jurist, Mujtahid und große Meister
            der Ḥadīth-Wissenschaen in der ḥanafītischen Rechtsschule, wurde im
            Jahre 239 nach der Hijra in der Stadt Ṭaḥā in Oberägypten geboren.
               Sein vollständiger Name lautet: Imām Abū Jaʿfar Aḥmad ibn
            Muḥammad ibn Salāma ibn Salama ibn ʿAbd al-Mālik al-Azdī al-Ḥajrī
            al-Miṣrī al-Ṭaḥāwī. Er zählt zu den hervorragenden Autoritäten auf den
            Gebieten der prophetischen Überlieferung [ḥadīth], islamischer Rechts-
            wissenscha [fiqh] und Glaubenslehre [ʿaqīda]. Imām al-Ṭaḥāwī war
            Zeitgenosse vieler der großen Gelehrten, die bei den Begründern der
            vier Rechtsschulen studiert hatten und lebte während jener geschicht-
            lich höchst bedeutsamen Zeitspanne, in der die verschiedenen Zweige
            der Ḥadīth- und Rechtswissenschaen feste Gestalt annahmen. Als
            Imām Aḥmad ibn Ḥanbal verstarb, war Imām al-Ṭaḥāwī zwölf Jahre alt;
            zum Todeszeitpunkt Imām al-Bukhārīs war er siebenundzwanzig. Ande-
            re bekannte hervorragende Persönlichkeiten auf dem Gebiet der Ḥa-
            dīth-Wissenschaen, wie die Imāme Muslim, Ibn Mājah, Abū Dāwūd, al-
            Tirmidhī und al-Nasā’ī, waren seine gleichaltrigen Kollegen und ihre
            Lehrer waren (mit der Ausnahme al-Tirmidhīs) auch die seinen. Trotz
            der unstrittigen Stellung seiner illustren Zeitgenossen erwähnen die Hi-
            storiker und Gelehrten Imām al-Ṭaḥāwī mit höchstem Respekt und
            größter Wertschätzung als „unerreicht von denen, die nach ihm kamen“
            (Ibn Yūnus, al-Ṣafadī, al-Suyūtī), „einhellig in seiner Vertrauenswürdig-
            keit anerkannt“ (al-ʿAynī, al-Samʿānī, al-Dhahabī, al-Suyūtī), „Meister
            in allen Schulen der Rechtswissenscha“ (Ibn ʿAbd al-Barr) und „eine
            der vertrauenswürdigen Größen unter den Meistern der Ḥadīth-Wis-
            senscha“ (Ibn Kathīr). Einzig Ibn Taymiyya war anderer Ansicht und
            behauptete, Imām al-Ṭaḥāwī sei „nicht sehr bewandert in der Ḥadīth-
            Wissenscha“ gewesen.
            1  Als Mujtahid wird ein islamischer Rechtsgelehrter bezeichnet, der befähigt ist, Entschei-
            dungen zu Rechtsfragen aufgrund selbständiger Interpretation der Quellen zu treffen.

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