Page 10 - Das Osmanische Reich_Leseproben
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Das Osmanische Reich

              schen  Reichs  von  Europäern,  die  vom  Luxus  und  den  Aus-
              schweifungen der Türken berichten, von Festen in mit Lampions
              und Tulpen geschmückten Gärten, von Palästen mit geheimnis-
              vollen Serails und einem Harem mit den schönsten Frauen aus
              Abendland und Morgenland. Es gibt aber auch Berichte von der
              Grausamkeit der Sultane, die, nachdem sie auf den Thron ge-
              kommen waren, ihre Brüder und deren Familien zu ermorden
              pflegten, um keine Rivalen zuzulassen.
                Geht man in der Geschichte zurück, so stößt man auf ein
              turkstämmiges Steppenvolk aus dem Inneren Asiens, das auf
              dem  Rücken  seiner  Pferde  nach  Westen  wanderte,  dabei  die
              Länder  Vorderasiens  durchquerte,  Persien  eroberte  und  sich
              dann in Anatolien im Sultanat von Rum niederließ. Hier gelang
              es einem kleinen türkischen Stamm unter seinem Anführer Os-
              man sich im Gefolge der Rum-Seldschuken festzusetzen, dem
              Byzantinischen Reich die Stirn zu bieten und eine dauerhafte
              Herrschaft zu etablieren. In zahlreichen Feldzügen wurde von
              den Osmanen das Byzantinische Reich bezwungen und seine
              Hauptstadt Konstantinopel erobert, sie überquerten den Bospo-
              rus und die Dardanellen nach Europa, besetzten den Balkan
              und trugen zweimal Angriffe bis an die Mauern Wiens vor. Der
              Nahe Osten, die Arabische Halbinsel, Ägypten und fast der ge-
              samte Südrand des Mittelmeers wurden erobert und auf dem
              Höhepunkt seiner Macht umfasste das Osmanische Reich etwa
              die selbe Fläche, die einst das Römische Reich besessen hatte
              und  war  damit  einer  der  größten  Flächenstaaten  der  frühen
              Neuzeit geworden.
                Der Erfolg des Reichs beruhte auf Expansion. Solange sie an-
              hielt konnten seine Soldaten, die gefürchteten Reiter der Sipahis
              und die Janitscharen mit ihren hohen Turbanen und ihrer wil-
              den Musik, bezahlt werden. Daneben blühte aber auch die Kul-
              tur. Baumeister wie Sinan erdachten großartige Moscheen, de-
              ren Minarette in den Himmel ragten, geschickte Handwerker
              schufen Teppiche, Keramiken und Textilien von unvergleichli-
              cher Farbenpracht. Dichter wie Yunus Emre schrieben Bücher
              zu Ehren des Sultans.
                Das Osmanische Reich war am Höhepunkt seiner Macht ein
              Vielvölkerstaat, aber keine Kolonialmacht. Alle Untertanen wur-

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