Page 7 - Barnabas Leseprobe
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einleitung: vermächtnis der nazaräer
Bereits Luigi Cirillo (s. o.) hatte erkannt, daß es sich beim
Barnabas-Evangelium um eine Evangelienharmonie, eine Zu-
sammenfassung nämlich von Zeugnissen Jesu zu einer Lebensbe-
schreibung handelt. Und da das Barnabas-Evangelium eine Fülle
gleicher Lesarten der erzählten Episoden mit dem Diatessaron
teilt, schien das für eine große Nähe beider Harmonien zueinan-
der zu sprechen. Dies allerdings kann nur solange gelten, bis die
Sequenz der „Perikopen“, die Abfolge der erzählten Episoden
des Barnabas-Evangeliums, einmal näher in den Blick genom-
men wird, die sich von der der Erzählungen in Tatians berühm-
tem Diatessaron gerade dramatisch unterscheidet. Die Sequenz
der Episoden ist im Unterschied zu einzelnen Lesarten aber der
eigentliche „Fingerabdruck“, der beweisen würde, daß ein Text
von einem anderen wirklich abstammt.
Beide Werke könnten auf einen noch älteren Text, beispiels-
weise das Hebräer-Evangelium, zurückgehen, was für das Dia-
tessaron als erwiesen gilt. Wäre es möglich, daß wir das, wonach
unter dem Titel eines „Hebräer-Evangeliums“ gesucht wird,
schon längst in den kanonischen Teilen des Barnabas-Evangeli-
ums gefunden haben?
Hatte Epiphanius im 4. Jhdt. bemerkt, daß einige Schrift-
gelehrte dem Diatessaron das Etikett „nach den Hebräern“
gaben, so wird das verschollene Hebräer-Evangelium von der
Forschung heute tatsächlich einhellig als eine der Quellen iden-
tifiziert, die Tatian in seinem Diatessaron verarbeitete. Es han-
delt sich dabei um das ursprüngliche aramäische Evangelium
nach Matthäus, das Apostelschüler Papias 120 n. Chr. mit den
Worten beschrieben hatte: „Matthäus schrieb als erster
die Worte des Herrn in hebräischer Sprache“. Joosten
konnte durch detaillierten Vergleich nachweisen, daß die ka-
Reichskirche vernichtet. Erhalten blieben Übersetzungen, Kommentare
und Zitate, die man unter dem Titel „diatessaronische Zeugen“ zusam-
menfaßt. Da Tatian jedoch als fünfte Quelle das Hebräer-Evangelium be-
nutzte, läßt sich nicht immer sagen, ob eine antike „diatessaronische“ Les-
art nicht nur auf das Diatessaron, sondern, durch es vermittelt, zugleich auf
das ältere Hebräer-Evangelium zurückgeht.
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